Kompetenzzentrum Tourismus

Nature Communications

Veröffentlichung: 10. Dezember 2024

Seitenanzahl: 10

Die Treiber der globalen CO2-Emissionen im Tourismus

Studienbewertung: Die Treiber der globalen CO2-Emissionen im Tourismus

Einleitung

Die Studie „Drivers of global tourism carbon emissions“ (Die Treiber der globalen CO2-Emissionen im Tourismus) beinhaltet eine Analyse der globalen und nationalen CO2-Emissionen im Tourismussektor in den Jahren 2009 bis 2020. Sie untersucht deren Anstieg und Abstieg in Zusammenhang mit Effizienz durch Technologien und erhöhter touristischer Nachfrage. Außerdem werden Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den CO2-Emissionen verschiedener Länder erläutert. Die Studie erschien am 10. Dezember 2024 als wissenschaftliche Veröffentlichung in der 15. Ausgabe der Nature Communications. Die Autoren dieses Papers sind Ya-Yen Sun, Futu Faturay, Manfred Lenzen, Stefan Gössling und James Higham.

Zielsetzung

Das Ziel der Studie ist die Untersuchung des CO2-Fußabdrucks des Tourismussektors und die daraus resultierende Identifikation der wichtigsten Treiber für CO2-Emissionen im Tourismus. Durch die Studie sollen handlungsleitende Erkenntnisse für Transformationsakteure im globalen Tourismussektor vermittelt werden.

Zielgruppe

Die Studie richtet sich an mehrere Zielgruppen im wissenschaftlich-politischen und strategischen Bereich:

  • Wissenschaftliche Öffentlichkeit (u.a. Klimawissenschaftler, Tourismusforschende
  • Politische Akteure und Tourismus-Governance (u.a. Ministerien, Entscheidungstragende)
  • Tourismuswirtschaft (u.a. touristische Unternehmen, Verbände)

Zu den sekundären Zielgruppen zählen:

  • Zivilgesellschaft (u.a. Organisationen im Bereich Klima und nachhaltiger Tourismus)
  • Universitäten (u.a. Lehre, Studierende)
  • ​​​​​Medien und Öffentlichkeit

Forschungsmethode

Als Datengrundlage der Forschung dienten Ausgabenprofile für den Tourismus aus 175 Ländern, einschließlich der Tourismus-Satellitenkonten von 62 Ländern und Tourismusverbrauchsdaten von 113 Ländern. Diese Daten werden mit Multiplikatoren aus der GLORIA-Datenbank kombiniert, um die gesamten Tourismusemissionen für den Zeitraum 2009 bis 2020 zu schätzen.

Mithilfe einer Input-Output-Modellierung kann anhand dieser Daten der CO2-Fußabdruck des Tourismussektors geschätzt werden. Die CO2-Emissionen beziehen sich auf Einreisen, Ausreisen und Inlandsreisen und werden nach ihrer Quelle unterschieden, unter anderem CO2-Emissionen von lokalen Unternehmen, ausländischen Produzenten, internationalen Flügen und der Nutzung von Privatfahrzeugen.

Die Kalkulation der CO2-Emissionen wurde zum einen durch die aufenthaltsbezogene Bilanzierung (residence-based accounting RBA) und zum anderen durch die zielbezogene Bilanzierung (destination-based accounting DBA) berechnet.

Ergebnisse

CO2-Emissionen des Tourismussektors

Insgesamt war der Tourismus im Jahr 2019 für 8,8 Prozent der globalen anthropogenen Erwärmung verantwortlich. Der CO2-Fußabdruck des Tourismussektors wuchs zwischen 2009 und 2020 doppelt so schnell (3,5 Prozent pro jahr) wie die verursachten CO2-Emissionen der Weltwirtschaft (1,5 Prozent pro Jahr).

Bei gleichbleibendem Wachstum werden sich Schätzungen zufolge die CO2-Emissionen des Tourismussektors alle 20 Jahre verdoppeln. Die COVID-19-Pandemie wirkte sich in Form von drastischen, temporären Emissionsrückgängen (minus 58 Prozent in 2020) aus.

Primäre Treiber

Die primären Treiber von CO2-Emissionen im Tourismussektor sind der langsame Wirkungsgrad von Technologien (0,3 Prozent pro Jahr) sowie der generelle Anstieg der Tourismusnachfrage (3,8 Prozent pro Jahr). Angetrieben wird das Nachfragewachstum durch das steigende Einkommensniveau in wirtschaftlich starken Ländern. Es wurden zudem fünf Schlüsselfaktoren identifiziert, die die touristischen CO2-Emissionen beeinflussen. Dazu gehören:

  1. Technologische Verbesserungen zur Steigerung der Energieeffizienz,
  2. Die Lieferkette in Bezug auf die Produktionsstruktur bei den Zulieferern,
  3. Das Bevölkerungswachstum im Zusammenhang mit der Entwicklung des Touristenaufkommens,
  4. Tourismuskonsum im Hinblick auf die sich entwickelnden Muster der Tourismusausgaben,
  5. Die Nutzung von Privatfahrzeugen im Hinblick auf die direkten Emissionen, die durch die von Touristen genutzten Verbrennungsfahrzeuge verursacht werden.

Länderspezifische Unterschiede

Unterschiede der CO2-Emissionen lassen sich auch länderspezifisch beobachten. Länder mit einer nationalen Wachstumsstrategie für den Tourismus tragen stark zu einem Wachstum von CO2-Emissionen bei. Dreiviertel der globalen Emissionen aus dem Tourismus werden demnach von 20 Ländern produziert, die höchsten Emissionen stammen aus den Vereinigten Staaten, China und Indien.

Eine Szenarioanalyse der Studie zeigt, dass die weltweiten Tourismusemissionen um sieben Prozent pro Jahr hätten verringert werden können, indem die 20 Ländern mit den meisten Emissionen ihre Wachstumsrate in den Jahren von 2009-2020 um einen Prozent pro Jahr gesenkt hätten. Die Gebiete, die am meisten von Klimaauswirkungen betroffen sind und somit in Zukunft sinkende touristische Nachfrage erwarten sind Afrika, der Nahe Osten, Südasien und kleine Inselstaaten.

Quelle: Sun, YY., Faturay, F., Lenzen, M. et al. (2024). Drivers of global tourism carbon emissions. Nat Commun 15, 10384, S. 3.

Zukunftsperspektive

Die Ergebnisse der Studie verdeutlichen, dass eine alleinige Fokussierung auf technologische Effizienzsteigerung und Infrastrukturverbesserungen zur Reduktion der CO2-Emissionen nicht ausreichend sind. Um Net-Zero-Ziele zu erreichen, müssen Maßnahmen zur Reduzierung der Reisenachfrage erarbeitet werden. Besonders in der Verantwortung stehen hierbei Länder mit einem hohen Ausstoß an CO2-Emissionen.

Kritische Würdigung

Die Studie „Drivers of global tourism carbon emissions“ ist aufgrund der nachhaltigen Transformation im Tourismus hoch relevant. Es werden explizit neue Maßnahmen zur Steuerung der erhöhten touristischen Nachfrage gefordert. Die hohe Nachvollziehbarkeit der Studie ist zurückzuführen auf eine hohe Transparenz in Bezug auf die Datenquellen, Methodik und erläuterten Unsicherheiten.

Die Qualität und Tiefe der herangezogenen Datenbasis kann durch die Verwendung vollständiger TSA- und IO-Datenbasis für 62 Länder und die Abdeckung von 92% der weltweiten Tourismusemissionen als hoch eingestuft werden. Modellunsicherheiten der Forschungsmethode, wie beispielsweise die Nutzung privater Fahrzeuge und Luftfahrt, werden offen benannt. Durch konkrete Empfehlungen, unter anderem die Einführung von Volumen-Schwellen für den touristischen Konsum, Fokus auf nachfrageseitige Maßnahmen und der Begrenzung des Luftverkehrs, weist die Studie einen hohen Bezug zur Praxis auf.

Insgesamt ist die Studie mit hoher wissenschaftlicher Qualität und Relevanz zu bewerten. Sie übt deutliche Kritik an gegenwärtigen Technologietrends im Tourismussektor und thematisiert Gerechtigkeitsaspekte im globalen touristischen Emissionsdiskurs.

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