Wissen
19.08.2020

Zentrum für Nachhaltigen Tourismus an der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde (ZENAT), TourCert, Futouris e.V.

Die Corona-Krise und ihre Implikationen für die nachhaltige Entwicklung des Tourismus

Studie | Klimaschutz und Nachhaltigkeit | Corona

Veröffentlichung: Juli 2020

Seitenanzahl: 29

Die Ergebnisse der Onlinebefragung zeigen, dass die überwiegend österreichischen und deutschen Tourismusbetriebe im Binnentourismus ein hohes Nachhaltigkeitsbewusstsein aufweisen. Gleichzeitig lehnt die Mehrheit soziale und ökologische Restriktionen in der aktuellen Krisensituation ab. Mittelfristig können sich bestehende Nachhaltigkeitsüberzeugungen durch die Krise festigen. Auch die Nachfrage nach nachhaltigen Reisen wird aus Sicht der befragten Betriebe zukünftig steigen.

Ziel der Studie

Ziel der Studie ist es, den Einfluss der Corona-Pandemie auf die Relevanz von Nachhaltigkeit im Tourismus zu untersuchen.

Für wen ist es relevant?

Die Studie richtet sich hinsichtlich ihrer Konsequenz vor allem an politische Entscheidungsträger und Organisationen, die einen nachhaltigeren Tourismus fördern wollen. Die Ergebnisse beziehen sich auf den Binnentourismus in Österreich und Deutschland.

Wie wurde vorgegangen?

Grundlage der Studie ist eine Onlinebefragung von 607 touristischen Unternehmen und Organisationen aus Österreich und Deutschland in der Zeit vom 17.06. bis 26.06.2020. Der Fragebogen wurde mit Hilfe von Interessenvertretungen verteilt. Die Befragten wurden nicht nach bestimmten Kriterien ausgewählt, sodass diese willkürlich in die Stichprobe aufgenommen wurden. Die Mehrheit der befragten Unternehmen stammt aus dem österreichischem Gastgewerbe. Mit Szenarien und Aussagen zur Tourismusentwicklung im Kontext der Corona-Krise wurden die nachhaltigkeitsbezogenen Einstellungen der Befragten und die Auswirkungen auf das eigene Unternehmen ermittelt.

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Was sind die zentralen Ergebnisse?

Die Mehrheit der Befragten stimmte den allgemeinen Aussagen bzw. Szenarien zum Thema Nachhaltigkeit zu. 90 % halten demnach ein solides Wirtschaften für notwendig, auch wenn dies zu einem geringeren Wachstum führen würde und stimmen der Aussage zu, dass Klimawandel und Klimaschutz weiterhin zu den größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zählen und im Tourismus höchste Priorität haben sollten. Coronabedingte Veränderungen im eigenen Unternehmen erhalten dagegen weniger Zustimmung. Immerhin 21 % können sich in der Erholungsphase Restriktionen sozialer oder ökologischer Art vorstellen. 60 % geben zu, dass Sparmaßnahmen im eigenen Unternehmen notwendig sind, die auch das Personal betreffen. Darüber hinaus sind sich die Befragten nicht einig, ob die Nachhaltigkeitsdiskussion zum aktuellen Zeitpunkt überhaupt geführt werden sollte. Dennoch wollen sich die Betriebe zukünftig stärker an den Zielen der nachhaltigen Entwicklung ausrichten und hierzu vor allem strategische und strukturelle Maßnahmen umsetzen. Im Fokus steht vor allem die ökologische Dimension der Nachhaltigkeit. Als Erfolgsfaktoren gelten in erster Linie nachhaltige bzw. heimische Produkte und Dienstleistungen sowie vertrauensbildende Maßnahmen. Auffällig ist, dass das Thema Nachhaltigkeit von deutschen Befragten tendenziell eine größere Unterstützung erfährt als von österreichischen Befragten. Darüber hinaus lassen sich auch Unterschiede hinsichtlich Unternehmensart und –größe feststellen, so sind kleinere Unternehmen beispielsweise nachhaltigkeitsaffiner.

Welche Konsequenzen lassen sich daraus ableiten?

Die Ergebnisse der Studie bestätigen einmal mehr, dass touristische Unternehmen grundsätzlich eine Affinität zum Thema Nachhaltigkeit aufweisen und sich Ihrer Verantwortung durchaus bewusst sind. Dennoch hapert es meist an der Umsetzung im eigenen Unternehmen, vor allem in der aktuellen Situation der Krisenbewältigung. Nachhaltige Produkte und Dienstleistungen gelten nach der Krise als Erfolgsfaktor, eine nach innen gerichtete nachhaltige Unternehmenskultur scheint dabei allerdings zweitranging. In den ausgewerteten Kommentaren der Studie wird deutlich, dass ein auf quantitatives Wachstum ausgerichteter Massentourismus von vielen Akteuren abgelehnt wird. Für einen zukunftsfähigen, krisenresilienten Tourismus gilt es daher, nachhaltige Unternehmens-strategien stärker zu fokussieren und zu fördern. Die damit verbundenen Maßnahmen sollten aber nicht nur ökologisch oder ökonomisch ausgerichtet sein, sondern auch die sozialen Aspekte der Nachhaltigkeit stärker berücksichtigen, welche grade in Krisenzeiten besonders relevant sind.

Kritische Würdigung

Mit der Frage nach den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die nachhaltige Entwicklung des Tourismus widmet sich die Studie einem hoch aktuellen Thema. Die Untersuchung knüpft an Diskussionen für einen Tourismus nach Corona an, die sich aus Sicht der Autoren anhand von zwei gegensätzlichen Polen skizzieren lassen: Ein ungehemmtes Wachstum ohne Restriktionen oder das Bestreben nach einem nachhaltigeren Tourismus. In der durchgeführten Befragung wird vor allem Letzteres thematisiert, mögliche Entwicklungsszenarien dazwischen, die sich also weder dem einen noch dem anderen Pol zuordnen lassen, werden vernachlässigt. Damit verbunden ist auch die Problematik, dass die Antworten möglicherweise durch den Effekt der sozialen Erwünschtheit beeinflusst sind. Die Autoren selbst führen den Effekt in erster Linie auf die Absender der Befragung zurück. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass auch die Vorgabe von festgelegten Nachhaltigkeitsstatements diesen Effekt hervorrufen kann. Hinzu kommt, dass die Statements häufig aus zwei Aussagen bestehen, die die Beantwortung und die Interpretation erschweren können. So ist beispielsweise nicht eindeutig, auf welchen Teil des Statements sich die Zustimmungen oder Ablehnungen bezieht. Auf weitere Kritikpunkte, die die Gültigkeit der Studienergebnisse einschränken können, wurde von den Autoren in den Schlussfolgerungen ausreichend hingewiesen. Die Studie liefert somit einen Eindruck, welche Relevanz dem Thema Nachhaltigkeit von einzelnen Branchenvertretern in der aktuellen Krisensituation zugesprochen wird. Es bleibt zu hoffen, dass die positive Einstellung schlussendlich auch in der Anpassung des eigenen unternehmerischen Denkens und Handels einer Vielzahl von Akteuren mündet.

Die Studie wurde vom Zentrum für Nachhaltigen Tourismus an der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde (ZENAT), TourCert, Futouris e.V. herausgegeben und steht hier zum Download bereit.

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