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19.06.2021

Umweltbundesamt

Messung der Nachhaltigkeit des Tourismus in Deutschland - Entwicklung eines Tourismus-Nachhaltigkeits-Satellitenkontos

Studie | Klimaschutz und Nachhaltigkeit

Veröffentlichung: April 2021

Seitenanzahl: 176

Die Studie analysiert die Bilanzierbarkeit verschiedener Nachhaltigkeitsthemen im Deutschlandtourismus. Über eine definierte Eingrenzung des Begriffs Tourismus wird ein Indikatorsystem entwickelt, mit welchem nachhaltigkeitsbezogene Tourismusthemen quantifizierbar und bewertbar in einem Satellitenkonto dargestellt werden können. Die in der Untersuchung erarbeiteten Studienergebnisse dienen als Grundlage für ein Messsystem, welches Akteure der Tourismuspolitik sowie der Tourismuswirtschaft bei der Erkennung von Handlungsbedarfen unterstützten soll.

Ziel der Studie

Ziel der Studie ist die Erarbeitung eines praktikablen Systems zur objektiven Messung und Quantifizierung der Nachhaltigkeit im Tourismus auf nationaler Ebene. Das in dieser Studie entwickelte Satellitenkonto soll eine klare und überprüfbare Zustandsbeschreibung des Deutschlandtourismus im Kontext der Nachhaltigkeit ermöglichen und darüber hinaus im Zeitverlauf Entwicklungstendenzen aufzeigen. Hierdurch soll die Möglichkeit geschaffen werden, Handlungsbedarfe für die Tourismuspolitik und ihre Akteure zu identifizieren und konkrete Hinweise zu positiven Entwicklungen und eventuellen Schwachstellen geben.

Für wen ist es relevant?

Die Studie richtet sich primär an die Tourismuspolitik und die beteiligten Akteure wie z.B. Tourismusunternehmen, -organisationen und -verbände. Gleichwohl sind die Ergebnisse darüber hinaus für touristisch und geschäftlich Reisende relevant.

Wie wurde vorgegangen?

Auf der Grundlage eines Projekts der UNWTO „Measuring the Sustainability of Tourism“, welches ein internationales objektives Messsystem der Nachhaltigkeit im Tourismus entwickelt, wird in der Studie von Umweltbundesamt und Bundesumweltministerium ein nationales System entwickelt. Als Messsystem wurde im Zuge dieser Studie das Tourismus-Nachhaltigkeits-Satellitenkonto (TSSA) entwickelt. Das Konto stellt ein Kennzahlensystem dar, dass zukünftige Überprüfbarkeit in Hinblick auf Nachhaltigkeitsthemen, aus den Bereichen Ökologie, Ökonomie, Soziales und Management im Tourismus ermöglicht. Es handelt sich hier also um den bekannten Ansatz eines Tourismussatellitenkontos (TSA), ergänzt und erweitert um messbare Nachhaltigkeitsfaktoren, hin zu einem „Tourismus-Nachhaltigkeits-Satellitenkonto (TSSA). Der Bezugsraum der Studie ist Deutschland als Destination für in- und ausländische Touristen sowie als Standort von Tourismusunternehmen. Neben wissenschaftlicher Literatur sowie aktuellen Studien aus der Tourismuswirtschaft wurden politische (staatliche) Leitlinien und Strategiepapiere analysiert. Aus den gewonnenen Erkenntnissen wurden Handlungsempfehlungen abgeleitet, die abschließend den Umgang mit den in der Studie entwickelten nachhaltigkeitsbezogenen Indikatoren des nationalen Tourismus sowie dem TSSA (Messsystem) beleuchten.

Was sind die zentralen Ergebnisse?

Die Nachhaltigkeit im Tourismus gewinnt in den letzten Jahren rasant an Bedeutung, doch einen klaren Konsens über einheitliche Definitionen und klare Abgrenzbarkeit durch Messansätze gibt es kaum. Diese Situation ist gerade durch Verkettungen der Tourismusbranche mit anderen Branchen, hinsichtlich der Angebote und Aktivitäten sowie der Vorleistungen, noch immer von allgemein formulierten und kaum vorhandenen quantitativen Messgrößen bzw. einem Mangel an Datenverfügbarkeit geprägt. Aus diesem Grund ist es die sehr verdienstvolle Zielsetzung dieser Studie, einen ganzheitlichen Ansatz zur Bewertung der Nachhaltigkeit im Deutschlandtourismus zu entwickeln.

Um eine trennscharfe Abgrenzung zu ermöglichen, ist es daher notwendig, für diesen Querschnittscharakter der Tourismuswirtschaft eine quantitative und qualitative Grundlage für eine geeignete Datenerfassung zu schaffen. Hierfür ist der Aufbau eines Indikatorsystems, welches die relevanten Nachhaltigkeitsaspekte des Tourismus festlegt, entscheidend. Denn diese müssen sowohl bilanzierbar sein, als auch klare Zusammenhänge ausweisen können. In die finale Bewertungsgrundlage dieser Studie wurden nach vorhergegangenen Analysen 15 Themenfelder der Nachhaltigkeit im Tourismus in die weiteren Untersuchungen aufgenommen. Sie umfassen unter anderem die Bereiche Beschäftigung, Wertschöpfung, Wirkung auf die biologische Vielfalt, Energieverbrauch, Inklusion, Nachhaltigkeitsstrategien sowie Zertifizierungen.

Analysen verschiedenster Bilanzierungsmethoden zeigten dabei auf, dass die notwendige Übertragbarkeit auf ein nationales Bewertungssystem nicht vorliegt. Um dennoch ein nachhaltigkeitsbezogenes Satellitenkonto für den nationalen Tourismus zu entwickeln, wurde im Zuge dieser Ausarbeitung eine regionale Fallstudie in einer dafür ausgewählten Modellregion durchgeführt. Hierbei wurde auf betrieblicher und regionaler Ebene die generelle Anwendbarkeit des entwickelten Konzepts überprüft.

Welche Konsequenzen lassen sich daraus ableiten?

Die Ergebnisse zeigen, dass bei einer Vielzahl der Indikatoren eine betriebliche Befragung nicht ausreicht und folglich andere Datenquellen gefunden bzw. weiterentwickelt werden müssen. Zudem sind die Betriebe oft nicht in der Lage, eine detaillierte Auskunft zu leisten, da für die meisten Indikatoren keine Berichts- und Meldepflicht existiert oder der dahinterstehende Verwaltungsaufwand unverhältnismäßig wäre. Eine Chance, weitere Informationen zu generieren, bieten hingegen Dienstleistungsanbieter sowie vorhandene Datenbanken, die oftmals über die entsprechenden Daten verfügen. Auch eine Verknüpfung von Datenbanken erscheint aus Sicht der Autor*innen sinnvoll.

Die hier zu Grunde liegenden Indikatoren zur Nachhaltigkeit werden vor allem unter dem Gesichtspunkt der Bilanzierbarkeit für das entwickelte Tourismus-Nachhaltigkeits-Satellitenkonto (TSSA) betrachtet. Hierbei gilt es zu beachten, dass sich mit Hilfe von Satellitenkonten zwar die gesamten Wertschöpfungsketten touristischer Dienstleistungen erfassen lassen, aber die hier gewählte Bilanzierungsmethode ausschließlich die Anbieter touristischer Produkte (letzte Wertschöpfungsstufe) und ihre Aktivitäten im Nachhaltigkeitskontext berücksichtigt, die unmittelbar von Touristen nachgefragt werden. Aus Sicht der Autor*innen kann durch einen breiteren Ansatz das Gesamtbild und somit eine scharfe Abgrenzung verschwimmen, gleichzeitig aber die Vergleichbarkeit zur gesamtwirtschaftlichen Produktion steigern.

Des Weiteren konnte festgestellt werden, dass nicht alle von den Autor*innen definierten Nachhaltigkeitsindikatoren auf kleinere räumliche Ebenen wie z.B. die Destinationsebene übertragen werden können. Die Aktivitäten am Reiseziel bilden beispielsweise nur einen Teil der Bereiche im Tourismus ab, Reisevermittler sowie -veranstalter können nur teilweise oder gar nicht abgebildet werden.

Kritische Würdigung

Die Studie beleuchtet die Sinnhaftigkeit, Messbarkeit und Quantifizierbarkeit nachhaltigkeitsbezogener Indikatoren im Kontext zum nationalen Tourismus. Im Zuge dieser Ausarbeitung werden die daraus gewonnen Erkenntnisse genutzt, um ein Konzept zur Erstellung eines Tourismus-Nachhaltigkeits-Satellitenkontos zu entwickeln. Zu bemerken ist jedoch, dass durch die erste durchgeführte Überprüfung auf Grundlage der vorgenommenen Erhebung lediglich eine Momentaufnahme der Indikatoren entstanden ist. Eine dringende Voraussetzung für zukünftige Orientierungs- und Vergleichsgrößen ist die wiederholte und langfristige Umsetzung des Indikatorensystems. Denn nur durch eine permanente Datenerfassung über einen Zeitraum hinweg, können Entwicklungstendenzen sichtbar gemacht werden, die politischen Entscheidungsträger und Akteure des Tourismus in Deutschland dabei unterstützen, Handlungsbedarfe geeignet zu beurteilen. Darüber hinaus können gezielte Verantwortlichkeiten definiert sowie die Umsetzung von zielgerichteten Maßnahmen erleichtert werden. Eine Herausforderung des entwickelten Satellitenkontos ist hingegen die verzögerte oder asynchrone Verfügbarkeit der verschiedenen Daten. Dies kann in der Erhebungsphase der Daten zu einem Konflikt zwischen Konsistenz und Aktualität führen.

In der Summe eine notwendige und verdienstvolle Studie, die den noch immer eklatanten Mangel relevanter nachhaltigkeitsbezogener Daten im Tourismus in Deutschland deutlich macht

Die Studie steht hier zum Download bereit (externer Downloas, pdf 3,3 MB)

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