Kompetenzzentrum Tourismus
19.01.2022

European Commission, Directorate-General for Regional and Urban Policy

Studie | Internationalisierung

Veröffentlichung: August 2021

Seitenanzahl: 156

Regional impacts of the COVID-19 crisis on the tourist sector

Die Studie analysiert die Auswirkungen der Covid-19 Pandemie auf die europäischen Tourismusregionen und leitet mögliche zukünftige Entwicklungen ab. Berücksichtigt werden dabei die regional unterschiedlichen Auswirkungen der Pandemie in Kombination mit den politischen Reaktionen und Revitalisierungsprozessen. Daraufhin leitet die Studie politische Empfehlungen für den kurz- und mittelfristigen Umgang mit der Covid-19 Pandemie, aber auch zukünftigen Krisen, ab.

Ziel der Studie

Ziel der Studie ist es, auf lokaler und auf europäischer Ebene die Auswirkungen der Covid-19 Pandemie zu erfassen, um den EU-Tourismus auf seinem Weg zu Nachhaltigkeit und Widerstandsfähigkeit zu begleiten. Damit einhergehend werden Destinationen typisiert und passende Handlungsempfehlungen abgeleitet.

Für wen ist es relevant?

Die Studie richtet sich an Verantwortliche aller regionaler Ebenen: von lokalen Destinationen, bis hin zu Entscheidungsträgern der EU-Mitgliedstaaten. Gleichwohl sind die aufgezeigten Trends und Handlungsempfehlungen über die Grenzen der EU hinaus relevant für alle Akteure der Tourismus- und Regionalentwicklung.

Wie wurde vorgegangen?

Mit Blick auf die Jahre 2020 und 2021 untersucht die Studie statistische Daten der EU-Mitgliedstaaten. Diese Daten umfassen die wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus (z.B. Beitrag des Tourismus zum BIP), Nachfrageänderungen sowie qualitative Merkmale. Ausgangspunkt der Analyse sind die regionale Beschäftigung und die touristischen Quellmärkte in den EU-Regionen. Die zugrundeliegende Typologisierung von europäischen Tourismusregionen orientiert sich an statistischen Merkmalen und landschaftsbezogenen Kriterien. Die Bestimmung der politischen Reaktionen und Maßnahmen orientiert sich am Ansatz zur territorialen Folgenabschätzung mit den Faktoren Betroffenheit und Empfindlichkeit gegenüber den Pandemiemaßnahmen. Weiterhin wurden 89 Tourismusinitiativen innerhalb der EU hinsichtlich ihrer politischen Maßnahmen betrachtet.

Was sind die zentralen Ergebnisse?

Die Ergebnisse der Studie betreffen vier Bereiche:

  1. Beschreibung des EU-Tourismus-Ökosystem: Als wichtiger Teil der europäischen Wirtschaft umfasst der Tourismus 3 Millionen Unternehmen und beschäftigt 22,6 Millionen Menschen (11 % der EU-Gesamtbeschäftigung). Dies entspricht weiterhin 9,5 % des EU-BIP (2019). Der Tourismus ist die viertgrößte Exportkategorie der EU und generiert für je 1 EUR Wertschöpfung im Tourismus weiterführende Wertschöpfung in anderen Sektoren in Höhe von zusätzlich 0,56 EUR. Neben statistischen Merkmalen beschreibt die Studie den Tourismus als arbeitsintensiv, vernetzt und KMU-geprägt, jedoch auch mit relativ geringer Arbeitsproduktivität und z.T. geringer Beschäftigungsqualität, sowie Saisonabhängigkeit.
  2. Tourismustrends: Bedingt durch die Covid-19 Pandemie deuten Buchungs- und Suchindikatoren darauf hin, dass die Reisetätigkeiten innerhalb der EU erst in einigen Jahren das Niveau von 2019 erreichen werden. Hierbei werden auch die Besonderheiten von Segmenten wie z.B. Geschäftsreisen genannt, aber auch Reisebeschränkungen, Ängste seitens der Reisenden oder erhöhter Verwaltungsaufwand. Die Studie betont mögliche Verhaltensänderungen der Reisenden im Zusammenhang mit Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Die Entwicklungen wirken sich in den verschiedenen Arten von Reisezielen unterschiedlich aus. Zum Beispiel haben die großen Ballungsräume und deren größere Einzugsgebiete in Europa günstige Ausgangspositionen für Wachstum im lokalen Tagestourismus. Für einen umweltfreundlicheren Tourismus gibt es günstige Ausgangspositionen entlang der wichtigsten Hochgeschwindigkeits-Eisenbahnlinien und Nachtzugverbindungen in Europa, die eine umweltfreundliche Anreise zum Zielort ermöglichen.
  3. EU-Tourismusregionen: Um die Pandemieauswirkungen regional zu betrachten, definiert die Studie sechs Tourismusregionen: 'Beach Beauty', 'Jagertee', 'Sea Breeze', 'Spritz', 'Sea meets Sky' und 'Cosmopolitan'. Regionale Unterschiede bestehen je nach Geografie und Klima, Verkehrs- und Unterkunftsmustern, Saisonabhängigkeit, Herkunft der Touristen und wirtschaftlicher Abhängigkeit vom Tourismussektor.
  4. Auswirkungen der Covid-19 Pandemie: Die Auswirkungen sind im ganzen touristischen Ökosystem und allen Wertschöpfungsketten zu spüren. Hierbei bedingt der Tourismus vielfältige Effekte auf kooperierende Sektoren. Die Studie nennt Tourismussegmente, die besonders stark betroffen sind, hier zum Beispiel den Städtetourismus und den Küstentourismus im Mittelmeerraum, sowie Destinationen, die stark vom internationalen Flugverkehr abhängig sind. Insgesamt weisen die Regionen mit den Tourismustypen "Beach Beauty" und "Cosmopolitan" den stärksten Rückgang der Besucherzahlen und schwerwiegende negative Auswirkungen in den Bereichen Beherbergung, Gastronomie und Tourismusaktivitäten auf. Mit der teilweisen Lockerung der Reisebeschränkungen in den Sommern 2020 und 2021 konnten die Tourismustypen "Jagertee" und "Sea Breeze" zumindest ein inländisches Wachstum aufweisen. Die auf Wintertourismus ausgerichteten "Jagertee"-Regionen litten dann unter den Schließungen im Winter 2020/21. Als positive Auswirkungen nennt die Studie u.a. die Entdeckung neuer Reiseziele im Inland, sowie die Auseinandersetzung mit der Widerstands- und Reaktionsfähigkeit. Regionen mit einer ausgeprägten Governance, kontinuierlichen Innovationen und einer stabilen Tourismushistorie zeigen sich besonders widerstandsfähig

Welche Konsequenzen lassen sich daraus ableiten?

Die Autor*innen der EU-weiten Studie leiten einige zukunftsweisende Erkenntnisse aus den bisherigen Pandemiereaktionen ab:
1) Das Wachstum des Tourismus verantwortungsvoll steuern
2) Neue Reiseziele entstehen
3) Tourismus muss nachhaltig sein
4) Digitalisierung wird das neue Rückgrat des Tourismus
5) Zusammenarbeit, Innovation und kreative Ideen sind unerlässlich

Weiterhin kann die EU einen Rahmen für einen europäischen Tourismusbinnnenmarkt bieten, der sicheres und nahtloses Reisen ermöglichen soll. Gemeinsame Nachhaltigkeitsstandards, Beratung und Austausch sind wichtige Instrumente hierbei. Um die Weiterentwicklung hin zu einem resilienten und umweltfreundlicheren Tourismus zu unterstützen, müssen Maßnahmen auf allen Ebenen, von der lokalen bis zur europäischen, zusammenwirken. Die Studie betont weiterhin die Rolle neuer Tourismusmodelle und die Überschneidung mit weiteren Sektoren, z.B. in grüner Mobilität, Vernetzung oder bürgernaher Planung. Die Krise sollte genutzt werden, um neue Lösungen für einen nachhaltigen Tourismus zu entwickeln und die Digitalisierung als Instrument zu nutzen.

Kritische Würdigung

Die Studie fasst die pandemiebedingten Entwicklungen im EU-weiten Tourismus-Ökosystem zusammen und verdeutlicht die Relevanz für die europäische Wirtschaft. Der Fokus der Studie liegt dabei auf der statistischen Analyse und Typisierung von europäischen Destinationen und deren Tourismusentwicklung während der Covid-19 Pandemie. Es wird jedoch ebenso versucht, politische Initiativen in diese Analyse zu integrieren. Um gezielte Handlungsempfehlungen erarbeiten zu können, ist es ergänzend erforderlich, die jeweilige pandemische Lage eines EU-Mitgliedsstaates auf nationaler oder sogar sub-nationaler Ebene zu betrachten. Die Studie kann mit ihren anschaulichen Karten auch zu dieser sub-nationalen Ebene einen Beitrag leisten und verweist wiederholt auf die notwendige regionale Differenzierung. Die Handlungsempfehlungen geben einen groben Rahmen der aktuellen Entwicklung wieder, sind jedoch für viele Tourismusakteure bindend und relevant. Positiv zu würdigen sind weiterhin der theoretische Anspruch der Folgenabschätzung und der nachvollziehbaren Definition des Tourismus-Ökosystems.

Die Studie der European Commission kann hier kostenlos heruntergeladen werden (externer Download, pdf).

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