Travel Foundation
Studie
Veröffentlichung: Januar 2023
Seitenanzahl: 87
Envisioning Tourism in 2030 and Beyond - The changing shape of tourism in a decarbonising world
Einleitung
Die Studie "Envisioning Tourism in 2030" unterstützt Tourismusakteure auf dem Weg zur Erreichung der globalen Klimaziele mit einer Dekarbonisierungsprognose. Ausgehend von einer Verdopplung der Reisen bis 2050 bleibt dem Tourismus nur ein Szenario, welches zur Dekarbonisierung führen kann. Das Tourism Decarbonisation Scenario (TDS) ist für die Branche zugleich ein Weckruf und Motivation zur Transformation.
Ziel der Studie
Wie erreicht die globale Tourismuswirtschaft die Dekarbonisierungsziele bis 2030 und 2050? Diese Frage ist zentral für den Studienbericht und verdeutlicht das Ziel, die Dekarbonisierung konkret auf die einzelnen Jahre herunterzubrechen und somit ein Monitoring zu etablieren.
Für wen ist die Studie relevant?
Die Studie richtet sich an Verantwortliche aller regionaler Ebenen: von lokalen Destinationen bis hin zu Entscheidungsträgern der Länder. Gleichwohl können Wissenschaftler ebenso wie einzelne Leistungsträger die vorgestellten Maßnahmen direkt aufgreifen.
Wie wurde vorgegangen?
Der Bericht gliedert sich in fünf aufeinander aufbauende Abschnitte. Beginnend mit dem Status Quo werden auf internationaler Ebene diverse Herausforderungen für die Dekarbonisierung identifiziert, wie zum Beispiel die Messung von Emissionen, Wissenslücken seitens der Leistungsträger oder Vorbehalte und Beharren seitens Touristen. Weiterhin zeigen Best Practices mögliche Maßnahmen auf und die vorhanden Emissionsdaten werden dargestellt. Der Status Quo endet mit der Schlussfolgerung: „[…] there is an urgent need for tourism researchers and the tourism sector to assess the implications of Paris Agreement compatible emission scenarios for global tourism” (S. 16).
Auf dem Status Quo aufbauend werden konkrete Szenarien für die Dekarbonisierung anhand des GTTMdyn Models entwickelt, welches Daten für nationale und internationale Übernachtungen bis 2100 liefert. Jedes Szenario erzeugt Vermeidungskosten (d. h. Kosten für die Reduzierung der Emissionen pro Tonne CO₂). Es enthält auch Annahmen über technologische Entwicklungen (Business-as-usual), Emissionen im Zusammenhang mit der Stromerzeugung und dem Bau von Infrastrukturen, Preise für Transport und Unterkunft sowie die Eigenschaften der Auto-, Schienen- und Luftverkehrsflotte.
Ein wichtiger methodischer Schritt ist die Definition eines Zeitrahmens. Hier werden sowohl die politisch definierten Eckpunkte 2030 und 2050 als auch das Jahr 2100 herangezogen. Zudem legt die Studie das Jahr 2019 als Ausgangspunkt fest.
Das GTTMdyn-Modell ermöglicht es, aus 40 verschiedenen Interventionen zu wählen. Die Interventionen umfassen Maßnahmen und Annahmen in den Bereichen:
- Alternative Kraftstoffe und Energiequellen
- Technologie
- Infrastrukturpolitik
- Entwicklung der Reisegeschwindigkeit
- Steuern und Subventionen
- Reiseverhalten
- Kompensation
Was sind die zentralen Ergebnisse?
Die Prognosen zum Tourismuswachstum sind Ausgangspunkt der Studie. Demnach soll das Reisevolumen bis 2050 im Vergleich zu 2019 erheblich ansteigen: 102 Prozent mehr Reisen, 80 Prozent mehr Umsatz, 91 Prozent mehr Übernachtungen. Weiterhin werden kürzere Reisen bis 900 km stärker wachsen als Fernreisen. Diese und weitere Effekte können dafür sorgen, dass in diesem business-as-usual Szenario die tourismusbezogenen Emissionen steil ansteigen werden (um 73 Prozent).
Die Studie zeigt im dritten Kapitel Berechnungen und Darstellungen für die einzelnen Maßnahmenbündel:
- Kompensation
- Technologie
- Nachhaltig Kraftstoffe für die Luftfahrt
- Steuern und Subventionen
Die Effekte dieser Maßnahmenbündel werden mit verschiedenen Annahmen und Ausmaßen (Elektrifizierung von Zügen und Bussen, Subventionierung von Ticketpreisen etc.) berechnet und würden, auch in Summe, eine Dekarbonisierung im Tourismus um über zehn Jahre verfehlen.
Aufgrund dieser Lücke modellieren die Autoren das Tourism Decarbonisation Scenario (TDS), um zumindest die Ziele für 2050 zu erreichen. Das TDS sei der optimale Mix aus Interventionen und gibt einen positiven Ausblick, der jedoch mit erheblichen Anstrengungen verbunden ist. Zusätzliche Annahmen in diesem Szenario sind die Verlangsamung des Wachstums im Luftverkehr und die Begrenzung der Langstreckenflüge auf das Niveau von 2019.
Die Flugreisen machten 2019 zwar nur zwei Prozent aller Reisen aus, sind aber bei weitem die Reisen mit dem höchsten CO2-Ausstoß. Wenn sie nicht eingedämmt werden, werden sich Flugreisen bis 2050 vervierfachen und 41 Prozent der Gesamtemissionen des Tourismus ausmachen. Weiterhin spielt laut den Autoren die Reisedistanz eine wichtige Rolle, die ebenso auf dem Niveau von 2019 bleiben soll.
Welche Konsequenzen lassen sich daraus ableiten?
Kapitel vier der Studie fasst Auswirkungen für die jeweiligen Segmente im Tourismus zusammen und formuliert konkrete Maßnahmen. Auch die gesellschaftliche Akzeptanz wird hierbei aufgegriffen: Im Mobilitätsbereich wird der Wandel zu Zugreisen eine entscheidende Rolle einnehmen, welcher auch durch eine Vervielfachung der Infrastrukturinvestitionen gestützt werden muss.
Dennoch geht es nicht nur um höhere Investitionen, sondern auch um die Verteilung der Investitionen und ihren effizienteren Einsatz. Mit der vorgeschlagenen Dekarbonisierung sind auch regional unterschiedliche Effekte verbunden. Die Deckelung der Reisedistanz könnte so auch neue Herausforderungen für kleinere und abgelegenere Ferndestinationen bedingen.
In der Zusammenfassung stellt die Studie klar, dass es nur zwei Optionen gibt, um die Emissionen im Tourismus einzudämmen: die konsequente Eindämmung des globalen Tourismus oder eine ebensolche Etablierung von Net-Zero-Reisen.
Die Kosten für eine globale Erwärmung seien deutlich höher als für eine Anpassung des Reisevolumens, schreiben die Autoren. Dies würde dazu beitragen, dass Tourismus vielerorts faktisch unmöglich oder irrelevant werde. Der Verzicht auf alternative Szenarien in der Studie solle bewusst dazu beitragen, die Aufmerksamkeit auf die Ergreifung der erforderlichen Maßnahmen zu lenken. Zwar seien nach vorsichtiger Schätzung hierfür Investitionen in Höhe mehrerer Milliarden US-Dollar fällig. In Summe seien dies aber nicht mehr als zwei bis drei Prozent der gesamten touristischen Umsätze.
Kritische Würdigung
Die Studie „Envisioning Tourism in 2023 and Beyond” ist ein bedeutender Baustein, die notwendige Transformation des Tourismus zu verstehen und zu begleiten. Nur mit konkreten Emissionsdaten zur Orientierung und der Priorisierung von Maßnahmen kann nach Ansicht der Autoren eine Dekarbonisierung erreicht werden.
Die Studie besticht durch die wissenschaftliche Fundierung der Modellrechnung, welche auf zahlreichen Vorstudien der Vergangenheit aufbaut und diese optimiert. Weiterhin ist der ganzheitliche Ansatz hervorzuheben, der alle zentralen Segmente der Tourismuswirtschaft einschließt und darüber hinaus auch soziale, technologische und politische Elemente aufgreift und einordnet. Insgesamt gelingt es den Autoren, einen potentiellen Weg zur Dekarbonisierung aufzuzeigen und zugleich mögliche Aufgaben den Akteuren zuzuweisen (siehe S. 76).
Die Studie der Travel Foundations kann hier kostenfrei angefordert werden (externer Download).
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