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04.08.2020

Umweltbundesamt

Die Auswirkungen der Digitalisierung und Big Data-Analyse auf eine nachhaltige Entwicklung des Tourismus und dessen Umweltwirkung

Studie | Klimaschutz und Nachhaltigkeit | Digitalisierung und Wandel

Veröffentlichung: Juli 2019

Seitenanzahl: 212

Diese Studie untersucht, welchen Einfluss die Digitalisierung auf die ökologisch und sozial nachhaltige Tourismusentwicklung hat. Dazu werden vorhandene Informationen und Daten zu digitalen Themen und Anwendungsfeldern im Tourismus gesammelt, analysiert und ausgewertet. Darüber hinaus werden die im Rahmen der Analyse identifizierten Chancen und Risiken der Digitalisierung im Hinblick auf ihre zu erwartenden Auswirkungen für eine nachhaltige Tourismusentwicklung bewertet. Es werden sowohl mögliche Belastungen als auch Chancen für Umwelt und Klima sowie soziale Nachhaltigkeitsaspekte analysiert.

Ziel der Studie

Die Studie verfolgt zwei wesentliche Ziele: Zum einen die Strukturierung des Themenfeldes Digitalisierung in Verbindung mit der nachhaltigen Entwicklung des Tourismus. Zum anderen die Identifizierung und Bewertung von Chancen und Risiken der Digitalisierung und den Einfluss auf das Reisevolumen sowie die Reisegestaltung.

Für wen ist es relevant?

Die Ergebnisse sind für alle touristischen Akteure relevant. Die Studie richtet sich hinsichtlich ihrer Konsequenz vor allem an politische Entscheidungsträger.

Wie wurde vorgegangen?

Die Autoren erarbeiteten die Studie auf Basis einer umfangreichen Literaturrecherche und der Analyse von Anwendungsbeispielen. Zusätzlich wurde ein Fachgespräch mit 18 Teilnehmern, u.a. aus den Fachreferaten des Umweltbundesamts und des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit durchgeführt.

Um die Entwicklungen der Digitalisierung strukturieren, auswerten und vergleichbar machen zu können, wurden relevante Begrifflichkeiten im Vorhinein definiert. Im Ergebnis konnten elf relevante Kategorien der Digitalisierung identifiziert werden wie z. B. Digitale Plattformen, Sharing Economy und soziale Netzwerke. Die Kategorien wurden in den drei Sphären Data Connectivity, Data Infrastructure und Data Ecosystem verortet und systematisiert. Anschließend wurden die digitalen Anwendungen hinsichtlich ihrer Chancen und Risiken für eine nachhaltige Entwicklung bewertet und anhand unterschiedlicher Wirkpfade betrachtet. Ein positiver Wirkpfad wird als Nachhaltigkeitschance, ein negativer Wirkpfad als Nachhaltigkeitsrisiko interpretiert. Ein Scoring-Modell erfasst auf einer Elfpunkte-Skala (0 bis 10) für jede der drei Sphären der Digitalisierung eine Experteneinschätzung hinsichtlich der tatsächlichen Relevanz der jeweiligen Kategorie. Im Fokus der gesamten Studie steht die Nutzung digitaler Anwendungen während der Reise.

Was sind die zentralen Ergebnisse?

  • Die Digitalisierung bietet für eine nachhaltige Entwicklung des Tourismus mehr Chancen als Risiken.

  • Für die Gestaltung der Reise hat die Nutzung digitaler Technologien vor allem positive Effekte (Nachhaltigkeitschancen). Im Hinblick auf das Reisevolumen konnte vor allem eine höhere Relevanz der Nachhaltigkeitsrisiken festgestellt werden. In vielen Anwendungsbereichen können digitale Technologien sich jedoch sowohl positiv als auch negativ auswirken.

  • Die größten Nachhaltigkeitschancen liegen in den Anwendungsbereichen der „Künstlichen Intelligenz“. Die größten Nachhaltigkeitsrisiken wurden den Anwendungsbereichen der „Big Data Analytics“ zugeordnet.

  • Häufig ist die Wirkung der Digitalisierung für den nachhaltigen Tourismus ambivalent. Es kommt letztendlich auf die Anwendung und den Anwender an, ob ein Risiko oder eine Chance für nachhaltigen Tourismus entsteht, wie am Beispiel VR verdeutlicht wird. Das virtuelle Reiseerleben kann einerseits als Reiseersatz dienen, andererseits aber die Reiseentscheidung positiv verstärken.

  • Die wesentlichen Nachhaltigkeitsrisiken lassen sich darauf zurückführen, dass auf Nachhaltigkeit ausgerichtete (große) Unternehmen der Tourismusbranche eher die Potenziale der Digitalisierung für Effizienzsteigerungen und eine Volumenzunahme (mehr und weitere Reisen) nutzen und die Chancen der nachhaltigen Reisegestaltung vernachlässigt bzw. von der Branche langsamer angegangen werden. Gleichzeit ergibt sich daraus auch das Risiko, dass Arbeitsplätze durch digitale und automatisierte Services ersetzt werden könnten.

  • Weitere Risiken, insbesondere für die Umwelt, entstehen durch digitale Anwendungen, die das Reisevolumen erhöhen. Hierzu gehören beispielsweise Angebote der Sharing Economy oder Anwendungen, die das Reisen komfortabler machen.

  • Demgegenüber wurden jedoch auch zahlreiche Chancen identifiziert, wie z. B. im Bereich der nachhaltigen Mobilität und der Nutzung von Smart Facilities in touristischen Betrieben, um Ressourcen zu schonen.

  • Nach Ansicht der Autoren sind die positiven Auswirkungen der Digitalisierung dort besonders effektiv, wo der Reisende z. B. durch Belohnungssysteme und transparente Echtzeitinformationen beeinflusst und zu einem nachhaltigeren Verhalten angeregt werden kann.

Welche Konsequenzen lassen sich daraus ableiten?

Aus den Ergebnissen wird deutlich, dass die Digitalisierung eine nachhaltigere Tourismusentwicklung sowohl begünstigen als auch hemmen kann. Dennoch wurden in dieser Studie mehr Chancen als Risiken identifiziert. Letztere werden zeitlich gesehen jedoch früher sichtbar, wie z. B. im Falle einer höheren Nachfrage. Es gilt daher die Digitalisierung dafür zu nutzen, Reiseströme zu erfassen und so zu beeinflussen, dass Ressourcen geschont und die Auswirkungen des Tourismus auf die ökologische und soziale Umwelt minimiert werden. Inwieweit die Anwendung digitaler Technologien zu einem nachhaltigeren Tourismus führen kann, hängt allerdings von den Prioritäten der handelnden Akteure sowie dem Bewusstsein und Verhalten der Reisenden ab. Ein besonderes Interesse an dieser Thematik dürften daher politische Entscheidungsträger haben, um die Nutzung der in dieser Untersuchung aufgezeigten Chancen entsprechend zu fördern.

Kritische Würdigung

Die Studie zeigt, dass es viele Anwendungsbereiche der Digitalisierung gibt, die für eine nachhaltigere Tourismusentwicklung genutzt werden können. Sie bietet Orientierung und Anknüpfungspunkte, um digitale Technologien für eine nachhaltigere Ausrichtung des Tourismus zu nutzen.

Die Entwicklungen sowohl in der Digitalisierung als auch in der Wahrnehmung von Nachhaltigkeit schreiten mit hoher Geschwindigkeit voran. Dies erfordert weitere Untersuchungen, insbesondere in der Anwendung einzelner Technologien und ihrer tatsächlichen Wirkungen im Tourismus, die es zu quantifizieren gilt.

Wie die Autoren selbst feststellen, sind die Ergebnisse der Studie zu einem gewissen Teil unterschiedlich interpretier- und nutzbar. Eine Priorisierung der Wirkpfade allein reicht nicht aus, um die Effekte zu beurteilen. Ob aus den differenzierten Technologien Chancen oder Risiken oder beides entstehen, hängt von den Nutzern und dem Verständnis der daraus folgenden Effekte auf die Nachhaltigkeit im Tourismus ab. Die Studienergebnisse bieten einen ersten Überblick, welche Technologien eine nachhaltige Tourismusentwicklung unterstützen können.

Die Studie wurde vom Umweltbundesamt herausgegeben und steht hier zum Download bereit.

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