Wissen
25.09.2020

Skift Research, McKinsey & Company

Ein globaler Überblick über die (langsame) Erholung der Tourismuswirtschaft

Studie | Internationalisierung | Corona

Veröffentlichung: September 2020

Seitenanzahl: 92

Die Auswertungen in diesem Bericht verdeutlichen erneut, dass der internationale Erholungsprozess des Tourismus von der Verbreitung und Eindämmung der Pandemie abhängt und sowohl segmentspezifisch als auch regional unterschiedlich verläuft. Die Nachfrage steigt insbesondere dort wieder an, wo das Infektionsgeschehen unter Kontrolle zu sein scheint und Reisebeschränkungen abgebaut werden. Im europäischen Erholungsprozess kann Deutschland daher eine führende Rolle einnehmen.

Ziel der Studie

Mit der Zusammenfassung von eigenen Analysen und weiteren Datenquellen wollen die Herausgeber die Beeinflussung der Tourismuswirtschaft durch COVID-19 und den Erholungsprozess beleuchten.

Für wen ist es relevant?

Der Bericht richtet sich an die Führungskräfte der Tourismusbranche aus allen Sektoren.

Wie wurde vorgegangen?

Bestehende Analysen von Skift und McKinsey sowie sekundäre Datenquellen von IATA, WTTC, trivago, ADARA und OTA Insight wurden zusammengefasst und die aktuelle Situation in den einzelnen touristischen Sektoren herausgearbeitet. Zusätzlich wurden die Entwicklungen im Freizeit- und Geschäftsreisesegment gegenübergestellt. Zur Unterstützung der Aussagen wurden ergänzende Experteninterviews geführt. Eine Szenario-Analyse vergleicht den Recovery-Prozess einzelner Länder weltweit. Abschließend werden vier zentrale Handlungsempfehlungen für den Weg aus der Krise gegeben.

Was sind die zentralen Ergebnisse?

Die Nachfrage nach Reisen steigt langsam wieder an, vor allem in Ländern mit einem niedrigen Infektionsgeschehen. Der Binnentourismus erholt sich dabei schneller als der internationale Tourismus, sodass in Ländern wie z. B. China und Deutschland verlorengegangene Reiseausgaben aus dem fehlenden Auslandsreiseverkehr kompensiert werden können. Auch die Zunahme von Reiseplanungen und Vorausbuchungen zeigt, dass die Reiselust da ist, jedoch durch anhaltende Restriktionen weiterhin gebremst wird.

Die Auswirkungen der Pandemie treffen die einzelnen Tourismussektoren unterschiedlich stark. Während der Flugverkehr, die Kreuzfahrt und die Hotellerie einen langen Erholungsprozess vor sich haben, konnten Ferienvermietungen bereits Ende Juni annähernd ein Niveau erreichen wie vor Beginn der Pandemie. Es zeigt sich ein Trend zu Zielen in der näheren Umgebung, zu Reisen mit dem Auto und zu Natur- bzw. Abenteuerreisen, die im Juli in Europa das Niveau von 2019 sogar überschritten haben. Das Buchungsverhalten der Reisenden wird kurzfristiger, da die Nähe zum Wohnort und die Anreise keine langfristige Planung erfordern. Ein weiteres zentrales Ergebnis ist, dass Faktoren wie Nähe und Sicherheit eine stärkere Bedeutung für die Reiseentscheidung haben können als der Preis.

Darüber hinaus gibt es eine erkennbare Divergenz zwischen Geschäfts- und Freizeitreisen. Die Autoren erwarten, dass der Bedarf an Geschäftsreisen in einzelnen Betrieben, z. B. aufgrund von Sparmaßnahmen auch langfristig zurückgehen könnte, die physische Präsenz in einzelnen Bereichen aber weiterhin wichtig sein wird. Die höhere Akzeptanz für das Arbeiten im Homeoffice könnte darüber hinaus dazu führen, dass die Grenzen zwischen Geschäfts- und Freizeitreisen dauerhaft schwinden werden.

Die Szenario-Analyse hat ermittelt, dass die globalen Tourismusausgaben zwischen 2023 und 2024 wieder das Niveau von 2019 erreichen können. Einige Länder erholen sich dabei schneller als andere. In dem von Skift entwickelten Erholungsindex belegt Deutschland Platz vier, hinter Russland, China und den USA. Es wird erwartet, dass sich der kumulative Verlust an Tourismusausgaben in Deutschland in den Jahren 2020-2030 gegenüber der Vorkrisenentwicklung auf etwa 210-550 Milliarden Dollar beläuft.

Welche Konsequenzen lassen sich daraus ableiten?

Zu Beginn der Pandemie wurde verbreitet davon ausgegangen, dass die Erholung des Tourismus von der Verfügbarkeit eines Impfstoffes abhängt. Die Studie zeigt jedoch weitere Optionen auf, die die Nachfrage ankurbeln können. Beispielweise ein verbessertes Verständnis der Übertragungsrisiken, wirksame Tests oder Absonderungskonzepte. Reisende reisen, wenn sie dürfen. Insgesamt wird der Erholungsprozess daher von der Kontrolle des Infektionsgeschehens abhängen. Durch die anhaltende Unsicherheit muss die Branche das Vertrauen der Reisenden stärken und gleichzeitig klare Regeln und Maßnahmen zum Umgang mit der Pandemie fördern. Für eine finanziell nachhaltige Tourismuswirtschaft sind neue, unkonventionelle Geschäfts- und Kooperationsmodelle notwendig. Die Betriebe sollten sich ihre Agilität bewahren und brauchen neue Konzepte, um den veränderten Bedürfnissen der Reisenden gerecht zu werden.

Kritische Würdigung

Die zusammengefassten Studienergebnisse bestätigen erneut, dass der Erholungsprozess des Tourismus einen langen Atem erfordert. Im internationalen Vergleich wird Deutschland eine führende Rolle zugesprochen, die zum einen auf die erfolgreiche Kontrolle des Infektionsgeschehens und gleichzeitig auf einen starken Binnentourismus zurückgeführt werden kann. In den Augen der Autoren verfolgt Europa einen weitgehend standardisierten Ansatz. Bei der Betrachtung der Ergebnisse ist jedoch zu beachten, dass die unterschiedlichen Rahmenbedingungen der einzelnen europäischen Märkte und ihre Tragweite nicht näher differenziert werden. Während die Analyseergebnisse die Unterschiede einzelner Segmente und Regionen aufdecken, sind die abschließenden Empfehlungen stark verallgemeinert. Sie werden anhand von Fallstudien aus dem Luftverkehr erläutert, was die Anwendbarkeit vor allem für die in Deutschland mittelständisch geprägte Tourismuswirtschaft und öffentliche Institutionen erschweren dürfte. Dennoch machen die Autoren Hoffnung, dass die Branche die Krise vollständig bewältigen und Unternehmen gestärkt aus ihr hervorgehen können.

Die Report wurde von Skift und McKinsey & Company herausgegeben und steht hier zum Download bereit.

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