Wissen
29.05.2020

European Travel Commission (ETC)

European Tourism – Trends & Prospects (Q1/2020)

Studie | Internationalisierung | Corona

Veröffentlichung: Mai 2020

Seitenanzahl: 54

Erste Anzeichen einer Abschwächung der positiven Tourismusentwicklung waren bereits im letzten Quartalsbericht der European Travel Commission erkennbar. Sie lagen jedoch bis dato in einem allgemein geringeren Wirtschaftswachstum, der geopolitischen Lage sowie Chinas Reisebeschränkungen zur Eindämmung des Coronavirus begründet. Inzwischen hat sich die Situation deutlich verschlechtert. Weltweite Eindämmungsbemühungen der Pandemie und die damit verbundenen Reisebeschränkungen haben die Tourismuswirtschaft in ganz Europa stark getroffen. Im aktuellen Bericht wird davon ausgegangen, dass der internationale Reiseverkehr im Jahr 2020 um 39 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurückgehen wird. Auf Grund der unterschiedlichen konjunkturellen Belebung in den einzelnen Ländern wird eine vollständige Erholung bis auf das Vorkrisenniveau erst 2023 erwartet.

Ziel der Studie

In diesem Bericht werden die weitreichenden Folgen der COVID-19-Pandemie für den europäischen Tourismus beleuchtet.

Für wen ist es relevant?

Der Quartalsbericht richtet sich in erster Linie an die Mitglieder der ETC, die nationalen Tourismusorganisationen in Europa. Die Ergebnisse sind darüber hinaus für alle Akteure im Deutschlandtourismus relevant.

Wie wurde vorgegangen?

Der Quartalsbericht stellt die Tourismusentwicklung in Europa dar und untersucht den Einfluss der COVID-19-Pandemie. Anhand einer Szenarioanalyse werden die möglichen Auswirkungen der nächsten drei Jahre prognostiziert. Die Daten basieren auf der TourMIS-Datenbank und auf Statistiken der STR, IATA und UNWTO. Die Wirtschaftsanalysen und -prognosen wurden von Tourism Economics bereitgestellt. Für die Bewertung der Folgen für den europäischen Tourismus wurden Ergebnisse einer ETC-Mitgliederbefragung ausgewertet.

Was sind die zentralen Ergebnisse?

2019 wuchs der europäische Reiseverkehr noch um rund vier Prozent. Da die Auswirkungen des COVID-19-Ausbruch im globalen Tourismus weltweit zu spüren sind, werden jedoch für die ersten drei Monate des Jahres 2020 zweistellige Rückgänge erwartet. Die bisher gemeldeten Ankunfts- und Übernachtungsdaten spiegeln das noch nicht wieder, sodass der Bericht Szenarien von Tourismus Economics heranzieht, um die Auswirkungen der Pandemie einschätzen zu können.

In den neuesten Prognosen wird unter der Annahme, dass die strengen Reisebeschränkungen für weitere vier Monate fortbestehen und dann in vier Monaten schrittweise gelockert werden, davon ausgegangen, dass die Zahl internationaler Ankünfte im Jahr 2020 um etwa 39 Prozent geringer ausfällt als im Jahr 2019. Das entspricht einem Rückgang von 577 Millionen Reisen. Die Hälfte des weltweiten Besucherrückgangs entfällt dabei auf europäische Reiseziele mit insgesamt 287 Millionen weniger internationalen Ankünften. Der größte Teil der Rückgänge wird in Frankreich, Italien und Spanien erwartet. Auch wenn sich der internationale Reiseverkehr 2021 wieder erholen kann, wird er in ganz Europa voraussichtlich erst 2023 das Niveau von 2019 erreichen. Es wird davon ausgegangen, dass sich die Auswirkungen noch verschärfen, wenn die Reisebeschränkungen über die Sommersaison hinaus bestehen.

Die strengen Reisebeschränkungen der europäischen Volkswirtschaften wirken sich sowohl auf den internationalen Ein- und Ausreiseverkehr als auch auf den Binnentourismus aus. Letzterer wird laut Tourism Economics 2020 um 23 Prozent zurückgehen und sich voraussichtlich schneller erholen, während der Langstreckentourismus am stärksten und am längsten von den Auswirkungen betroffen sein wird. Eine Reihe von Ländern will den Rückgang des internationalen Tourismus daher durch Förderung des Binnentourismus kompensieren.

Die Einbrüche im internationalen Flugverkehr erreichten voraussichtlich im April ihren vorläufigen Höhepunkt. Im März wurde in Europa bereits ein Rückgang der Passagierkilometer (RPK) von 51,8 Prozent im Vergleich zum Februar 2019 verzeichnet. Flugkapazitäten und Personalressourcen wurden erheblich reduziert, um langfristig Liquidität zu sichern. Es wird davon ausgegangen, dass sich die erwartete globale Rezession auch nach Aufhebung der Reisebeschränkungen auf die Passagiernachfrage auswirken wird. Auch der europäische Beherbergungssektor verzeichnet seit Mitte März deutliche Rückgänge. Im ersten Quartal des Jahres wurde ein Rückgang der Belegungsraten von durchschnittlich 23, 3 Prozent im Vergleich zu 2019 erfasst.

Die ETC-Mitglieder rechnen nach eigenen Angaben in ihren Ländern mit einem Einbruch der Tourismuswirtschaft zwischen 30 und 40 Prozent und Einnahmeverlusten zwischen 60 und 70 Prozent im Jahr 2020. Sie befürchten, dass nahezu jeder dritte Arbeitsplatz verloren gehen könnte und sich die Nachfrage auch über die Reisebeschränkungen hinaus verändern wird.

Durch politische Unterstützungsmaßnahmen sollen die Auswirkungen in der Tourismuswirtschaft abgemildert werden. Die meisten Länder in Europa unterstützen die Wirtschaft in der Regel durch allgemeine, Sektor übergreifende Rettungspakete, vereinfachte Zugänge zu Krediten und Kreditgarantien, die Verschiebung oder Aussetzung von Mehrwertsteuerverpflichtungen oder andere steuerliche und buchhalterische Maßnahmen sowie Maßnahmen zur Sicherung von Beschäftigung.

Auf Grund der Priorität finanzieller Sofortmaßnahmen werden Maßnahmen zur Erholung noch erarbeitet. Hierzu sind aus Sicht der ETC-Mitglieder Nachverfolgung und Monitoring, die Förderung des Inlandstourismus, kontinuierliche, digitale Marketing- und Werbemaßnahmen sowie Angebote außerhalb der traditionellen Sommersaison wichtig. Dafür seien nicht nur infrastrukturelle Anpassungen notwendig, sondern auch ein veränderter Marketingfokus auf europäische Quellmärkte.

Welche Konsequenzen lassen sich daraus ableiten?

Der Tourismus ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in Europa und von der Pandemie stärker betroffen als jeder andere Wirtschaftszweig. Neben Millionen von Arbeitsplätzen ist insbesondere die Existenz von kleinen und mittleren Unternehmen bedroht. Die tatsächlichen Auswirkungen der Pandemie auf die europäische Tourismuswirtschaft sind von der Dauer der nationalen und internationalen Reisebeschränkungen abhängig, die wiederum nur unter Berücksichtigung des Infektionsgeschehens aufgehoben werden können.

Während europäische Reiseziele 2019 noch von einem wachsenden Tourismusmarkt profitierten, hat die Ausbreitung des Coronavirus im März 2020 zu einem noch nie dagewesenen Stillstand geführt. Das Wachstum des internationalen Tourismusmarktes war in den letzten 10 Jahren von einem starken Preisdruck geprägt, sodass vielen Unternehmen schon zu Beginn der Pandemie die Liquidität fehlte, um den plötzlichen Nachfragerückgang zu überbrücken. Auf Grund von Kapazitätsrückgängen wird sich der internationale Tourismusmarkt strukturell verändern, voraussichtlich auch unter Anpassung des Preisgefüges.

Kritische Würdigung

Die ETC analysiert die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie für den Tourismus in Europa. Die vorliegenden Daten zeigen bereits einen deutlichen Abwärtstrend für das erste Quartal 2020, die tatsächlichen Folgen für den europäischen Tourismus insgesamt lassen sich jedoch anhand der vorliegenden Daten noch nicht beziffern, da weiterhin Unsicherheit über die Dauer der Reisebeschränkungen herrscht. Tourism Economics geht davon aus, dass die Reisebeschränkungen noch mindestens vier Monate andauern werden, inzwischen erscheint jedoch grenzüberschreitender Sommertourismus in Europa wieder möglich. Die dynamischen Entwicklungen in den kommenden Monaten müssen daher aufmerksam beobachtet werden, um gezielte Erholungsmaßnahmen einzuleiten und koordinieren zu können sowie Marketinginvestitionen zur Wiederbelebung des internationalen Tourismus umzusetzen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die europäischen Zielgebiete unterschiedlich stark von der Pandemie und ihren Auswirkungen betroffen sind und auch die unterschiedlich diversifizierten touristischen Angebote individuelle Erholungsstrategien erfordern. Die Corona-Krise verdeutlicht jedoch einmal mehr die Notwendigkeit nachhaltiger Strategien, die für ein gesundes Tourismuswachstum und eine widerstandsfähige Tourismuswirtschaft in Europa entwickelt werden müssen.

Die Studie wurde von der European Travel Commission (ETC) herausgegeben und steht hier zum Download bereit.

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