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Mit Transparenz und Wertschätzung gegen den Arbeits- und Fachkräftemangel im Tourismus

Aktuell zeigen sich die Auswirkungen des Arbeits- und Fachkräftemangels in den verschiedensten Bereichen der touristischen Leistungserstellung besonders deutlich. In unserem Online-Workshop am 15. September 2022 haben wir Branchenvertreter Vorreiter in diesem Themenfeld zu Wort kommen lassen: Welches sind die Herausforderungen im Umgang mit dem Arbeits- und Fachkräftemangel? Welche Maßnahmen sind vielsprechend? Wie ist das Image der Branche als Arbeitgeber? Wie kann die Wertschätzung gesteigert werden?

Die Dringlichkeit, entscheidende Schritte im Arbeits- und Fachkräftemangel zu unternehmen, steigt kontinuierlich. So betonte Claudia Müller, Koordinatorin der Bundesregierung für Maritime Wirtschaft und Tourismus, den politischen Willen, dem Arbeits- und Fachkräftemangel im Tourismus zu begegnen und die Vielfältigkeit der Branche diesbezüglich zu beachten.

Prof. Dr. Heinz-Dieter Quack, Leiter des Kompetenzzentrum Tourismus des Bundes, verdeutlichte die schwierige Situation der touristischen Anbieter in der Kombination der Covid-19 Pandemie, der Inflations-/ Energiekrise und dem Arbeits- und Fachkräftemangel. Im Vergleich zum Jahr 2019 ist ein erheblicher Rückgang der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in den Segmenten Gastronomie (-11% 2021 im Vergleich zu 2019), Beherbergung (-14%) und Reisemittler/-veranstalter (-24%) zu verzeichnen. Noch deutlicher verringerte sich die Anzahl der geringfügig Beschäftigten, z.B. bei Reisemittlern/-veranstaltern (-37%) (Bundesagentur für Arbeit 2022).

Die Indikatoren der Bundesagentur für Arbeit zeigen insbesondere in der Gastronomie einen starken Mangel an, der eine überdurchschnittliche Vakanzzeit von 152 Tagen im Jahr 2021 bedingte. Für August 2022 bedeutete dies, dass 36.000 offene Stellen im Segment Tourismus-, Hotel- und Gaststättenberufe gemeldet waren. Nicht zu vernachlässigen: Deutschlandweit sind auch anderen Branchen ähnlich oder sogar stärker von unbesetzten Stellen betroffen, wie z.B. Verkaufsberufe, Metallbau oder Erziehung und soziale Berufe (Quellenangaben siehe Präsentationsfolien).

Die Präsentationsfolien sind hier verfügbar.

Das Online-Panel des Kompetenzzentrum Tourismus des Bundes liefert detaillierte Einblicke in die Prognosen zum Arbeits- und Fachkräftemangel, aber auch Informationen zum Mitarbeiterumgang, zur Wahrnehmung der geänderten Anforderungen und zur Umsetzung entsprechender Maßnahmen.

Demnach gaben 71% der 678 Befragten an, Engpässe bei Personal mit Berufsausbildung zu haben, 45% bei Personal ohne Berufsausbildung. Nur 17% verneinen einen Arbeits- und Fachkräftemangel in ihrer Organisation. Gründe für die Personalengpässe werden vor allem in den Auswirkungen der Corona-Pandemie, der im Vergleich zu anderen Branchen relativ geringen Bezahlung und unattraktiven Arbeitszeiten gesehen. Der Arbeits-/Fachkräftemangel wirkt sich vor allem auf die Angebotsbreite der Unternehmen und der Organisationen aus, obwohl die Nachfrage durchaus eine Erhöhung der Beschäftigtenzahl zuließe. Dies trifft auf die Hälfte der Befragten voll zu. Andererseits gefährdet der Arbeits-/Fachkräftemangel sogar die Existenz einiger Betriebe.

Best-Practices:

Die Tourismusbranche findet bislang nur zum Teil passende Lösung für den Arbeits- und Fachkräftemangel und so leidet die Qualität der Angebote und Insolvenzen treten vermehrt auf (ViD.de). Streiks, personalbedingte Schließungen oder Diskussionen um die Arbeitsmoral der Generation Z überschatten die innovativen Best Practices, die es durchaus gibt. Stichwörter sind hierbei: Flexible Arbeits(zeit)modelle, Work-Life-Balance, leistungsgerechte Löhne, Wertschätzung, Weiterbildung oder monetäre und nicht-monetäre Zuwendungen. In unserem Online-Workshop haben wir genau diese Best-Practices zu Wort kommen lassen.

  • Landkreis Cochem Zell: Dirk Barbye zu destinationsübergreifenden und kreisweiten Fachkräfteinitiativen

  • Urlaubspiraten: David Armstrong über flexible Arbeitsmodelle

  • IHA und Kununu: Otto Lindner zu neuen Kooperationen

  • Emsachse: Jens Stagnet zur Fachkräfteinitative Emsachse

Podiumsdiskussion

In der Podiumsdiskussion konnten die Impulse der Best-Practices vertieft und diskutiert werden. Wichtige Erkenntnisse daraus sind:

  • Die Branche hat insgesamt ein Imageproblem, dennoch engagieren sich viele Betriebe sehr im Mitarbeiterumgang.
  • Wandel zum Arbeitnehmermarkt: Arbeitnehmer/innen können verstärkt Bedingungen stellen und Arbeitgeber sollten die Ansprache potentieller Arbeitnehmer/innen modernisieren (u.a. Social Media). Arbeitgeberbewertungen in Onlineplattformen werden zum Standard für Menschen auf Jobsuche und die Transparenz erhöhen.
  • Stabilität und Kontinuität nach der Covid-19 Pandemie sind wichtig, um für die Arbeitnehmer/innen eine verlässliche Perspektive im Tourismus zu bieten.
  • Mitarbeiterzufriedenheit: Kontinuierlicher Austausch mit den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen und gezielte Aktionen für junge Mitarbeiter/innen sind Basisanforderungen.
  • Neue Kooperationen: Events für Mitarbeiter aus verschieden Betrieben der Region, Entwicklung zur regionalen Mitarbeitermarke. Betriebe einbinden, aber auch verpflichten den Mitarbeiterumgang kontinuierlich zu verbessern.  
  • Vielfalt der Initiativen ist positiv zu sehen, dennoch können einzelne Bausteine gezielter zusammengeführt werden.
  • Quereinstieg erleichtern: Spezielle Kurse und Erleichterung der Ausschreibung.

Ausgewählte Zitate der Podiumsdiskussion:

Der Fachkräftemangel ist ein so mächtiges Problem, dass es keine Patentlösung gibt. Es sind Bausteine, viele Einzelmaßnehmen die sich zusammenfügen müssen.“ (Dirk Barbye)

Dahingehen, wo die Arbeitnehmer sind. Nicht nur die Messen, sondern auch das ganze Thema Social Media. Da sind die Arbeitnehmer. Als Arbeitgeber auch dahingehen und sich präsentieren.“ (Vivien Schwarz-Elbelazi)

Wir haben ein riesiges Imageproblem von außen, was dazu führt, dass die Wahrnehmung der Branche extrem schlecht ist. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass sich die meisten Kolleginnen und Kollegen ganz hervorragend gegenüber den Mitarbeiter/innen verhalten und das müssen wir argumentieren können.“ (Otto Lindner)

Positive Beispiele nach außen tragen. Dafür verschiedene Medien verwenden. Die Benefits herausstellen von denen die gut mit ihren Mitarbeitern umgehen.“ (Jens Stagnet)

Workshops

In vier Workshops zu unterschiedlichen Branchensegmenten konnten vertiefende Lösungsvorschläge und Maßnahmen diskutiert werden. Hierzu wurden kurz- und langfristige Maßnahmen genauso thematisiert, wie eine nationale Leitlinie. Über alle Workshopräume hinweg betonen die Teilnehmenden den Wandel vom Arbeitgeber- zum Arbeitnehmermarkt und die Verbesserung des Umgangs mit den Mitarbeitenden vor dem Start einer öffentlichkeitswirksamen Imagekampagne: „es bringt nicht viel in eine Werbung zu investieren, wenn das Produkt nicht stimmt“. Es bedarf somit einer Kampagne, welche die Arbeitgeber im Tourismus für die Mitarbeiterbindung und -entwicklung sensibilisiert und gleichzeitig mit Lösungen und Maßnahmen im Arbeits- und Fachkräftemangel unterstützt.  

Kernaussagen aus den einzelnen Workshopräumen:

Hotellerie und Gastronomie

  • Impuls von Dr. Anika Jansen (KOFA)
  • Teil- und Weiterqualifikation sollten politisch gefördert und betrieblich vorangebracht werden.
  • Fachkräftemangel in den ländlichen Regionen ist deutlich ausgeprägter als in Städten.
  • Professionelles Nachwuchsmarketing in Social Media und Schulen etablieren.
  • Es sind mehr Vorzeigebeispiele notwendig, wie Wertschätzung tagtäglich in der Praxis funktioniert.
  • Vieles geht nur über Netzwerke und Zusammenarbeit: Austausch unter den Betrieben, Best-Practice-Beispiele offenlegen, offene und regelmäßige Kommunikation.

Destinationen

  • Impuls von Ulrich von dem Bruch (Lüneburger Heide GmbH)
  • Auf Augenhöhe kommunizieren und Vertrauen im betrieblichen Alltag leben.
  • Etablierte und starre Arbeits-/Vergütungssysteme mutig erneuern.  
  • Den professionellen Ehrgeiz im Umgang mit den Gästen auch auf die Arbeitnehmer/innen transferieren.
  • Destinationen können als Arbeitgebermarken in die Region hineinwirken und die Betriebe einbinden.

Reisemittler/-veranstalter

  • Impuls von Ralf Hieke (DRV)
  • Lokale Netzwerke stärken, z.B. Auszubildende in einer Betriebskooperation ausbilden.
  • Arbeitsabläufe soweit möglich digitalisieren. Es ist Eigeninitiative gefragt
  • Antizyklisch denken: in Segmenten wo im Moment kein permanenter Mangel ist, bereits jetzt entgegenwirken. Das Problem ist im Mittelstand permanent aber nicht permanent akut.
  • Rahmenbedingungen der Berufsausbildung optimieren: Konditionen, Quereinstieg, Digitalisierung
  • Berufsausbildung optimieren und modernisieren, Quereinstieg verbessern und Arbeitsmärkte im Ausland besser integrieren

Freizeitwirtschaft und Attraktionen:

  • Impuls von Maik Christian Schmidt (VDFU)
  • Welche Werte werden in meinem Betrieb gelebt und wie können diese den neuen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen kommuniziert werden?
  • Die Persönlichkeit des Mitarbeitenden verstehen und eine intensivere Bindung aufbauen.
  • Mitarbeiterbindung und -entwicklung hat Priorität vor Neugewinnung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen.
  • Stellenausschreibungen müssen zu digitalen Unternehmensbewerbungen werden.
  • Destinationen und Betriebe sollten ihren Informationsfluss optimieren und auf Augenhöhe gemeinsame Maßnahmen starten.
  • Erst den Mitarbeiterumgang verbessern, dann eine Image-Kampagne starten.

Ausblick:

Der Workshop hat zahlreiche Best-Practices im Umgang mit dem Arbeits- und Fachkräftemangel gesammelt, aber darüber hinaus auch Maßnahmen für eine stärkere Mitarbeiterbindung diskutiert. Fest steht, dass nun die vielen Einzelinitiativen in eine branchenweite Lösung münden müssen. Für mögliche nationale Kampagnen gilt es, auch die Adressaten klar zu definieren und die Kommunikation entsprechend kreativ und modern zu gestalten. Der Arbeits- und Fachkräftemangel betrifft inzwischen die gesamte Tourismusbranche und ist daher im Netzwerk gemeinsam zu bearbeiten.


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